-Vorwort-
Ja, in der Tat ist es eine besondere Art Mensch, welche die Hügel und Täler
des
Hunsrücks bevölkert. Im Fernsehen kennt man diese Spezies meist leider nur
aus Talkshows und Gerichtssendungen, wo sie auch nicht gerade das beste Bild
abgeben. Sie wirken auf den Laien meist plump, roh und latent debil. Doch
gerade wegen seinem Hang zur Mundart wird der arme Hunsrücker oftmals
missverstanden!! Denn auch wenn andere regionale Dialekte, wie die der
Sachsen, Friesen, Hessen oder Bayern gern belächelt werden, nichts ist so
unvergleichlich urig und traditionell wie die Dialekte in unserer Heimat.
Und dabei so variantenreich!! Man muss nur wenige Kilometer reisen, um
gänzlich unbekannte Wortverunstaltungen hören zu dürfen. Man weiß den
unschätzbaren Wert des traditionellen Dialekts allerdings erst dann wirklich
zu würdigen, wenn man einem alteingesessenen Hunsrücker zuhören
muss, der unter größter Kraftanstrengung und mit Schweißperlen auf der Stirn
versucht, einen hochdeutschen Satz zu formen. Um also mit den Vorurteilen
ein für allemal aufzuräumen und die hinter dem harten Mantel des Dialekts
verborgene Herzlichkeit
herauszumeißeln, möchte ich dieses Werk nun der Öffentlichkeit nicht länger
vorenthalten.
Viel Vergnügen
1. Die Geburt
Der Lebenszyklus eines echten Hunsrückers beginnt, wie bei den meisten
anderen Menschen auch, mit der Geburt. Entbunden wurde früher dabei zumeist
zu Haus, mittels einer Hebamme, einer Schüssel heißen Wassers, einem
Fläschchen Weihwasser und wahrscheinlich rezeptpflichtiger Spirituosen zur
Beruhigung in einem staubigen, mit Blümchentapete ausgestattetem Zimmer mit
Kruzifix über dem hölzernen Ehebett. Diese Szenen dürften einige von ihnen
unter anderem auch aus „Der Exorzist“ bekannt sein. Doch da, entgegen der
Meinung Vieler, auch bei den Hunsrückern der Fortschritt allmählich Einzug
hält, findet dies in der heutigen Zeit meistens in den örtlichen Kreissälen der Krankenhäuser statt. Hunsrücker Babys wiegen in etwa so viel
wie ein kleiner Spießbraten.

2.Das Säuglingsalter
Der kleine Hunsrücker wächst und gedeiht, schon bald wird er sich in die
Farben des
lokalen Sportvereins gehüllt auf dem Sportplatz wieder finden, um aus dem
mit Wimpeln behängten Kinderwagen heraus mit großen Augen seine ersten
Erfahrungen in der Wissenschaft Fußball zu sammeln, denn auch dies ist
grundsätzlich wichtig für die Entwicklung und spirituelle Reife eines jeden
Hunsrückers.
Natürlich wird er hierbei auch seinen Wortschatz ständig erweitern, bis er
eines Tages die lang ersehnten ersten Worte sprechen wird. Laut dem
statistischen Bundesamt sind dies:
"
Spießbroore "
und "Stubbi
"
3. Die Kindheit
Erste Erfahrungen mit Leben und Sterben macht der Hunsrücker gewöhnlich
schon in seiner Kindheit. Vor allem in den kleineren Gemeinden ist es
durchaus gebräuchlich, neben Katzen und Hunden etc. auch Hasen oder
Kaninchen zu halten. Diese werden von den Kindern dann gefüttert,
gehätschelt und gepflegt. Sobald das lieb gewonnene Tier dann das gewünschte
Kampfgewicht erreicht hat, ist es oft auf mysteriöse Weise spurlos
verschwunden. Am darauf folgenden Sonntag gibt es dann lecker Braten.
Vegetarier findet man unter der Landbevölkerung jedoch trotzdem äußerst
selten.
Der Geist des Schinderhannes steckt im Kern eines jeden Hunsrücker Knabens,
daher hier die Empfehlung für pädagogisch sinnvolles Spielzeug:
- „ Zwille “ mit Steinen ( Steinschleuder )
- „ Flobbat “ ( Luftgewehr )
- „ Flitschebooe “ ( Bogen mit Pfeilen )
Außerdem ist es Usus, bei jeder der zahlreichen Wanderungen aus einem
geeigneten Altgeäst mittels eines scharfen Messers einen kunstvoll
verzierten Wanderstab zu schnitzen, der selbst Gandalf den Grauen vor Neid
erblassen ließe.
4. Die Jugend
Seine Verbundenheit zur Natur bringen die Kinder des Hunsrücks unter anderem
dadurch zum Ausdruck, dass sie deren Schätze schon frühzeitig zu würdigen
wissen. Dies umfasst vor allem :
- das Bier,
- den Wein,
- den Federweißer,
- den Quetschekuche,
- den Spießbraten
- und allen voran natürlich Papa´s Selbstgebrannten.
Die oben genannten Naturprodukte prägen die Jugend eines jeden echten
Hunsrückers in ansehnlichem Maße, über Details schweigen wir uns hier aus.
Die weitere Entwicklung des Jugendlichen hängt stark davon ab, welcher der
lokalen Institutionen dieser beitritt. Üblicherweise sind dies der
Musikverein, für Talentfreie oder Gehörlose gibt es die Jugendfeuerwehren
und den Sportverein. Es ist schwierig, sich keiner dieser Verbände
anzuschließen, da diese, ähnlich der Gilden im Mittelalter, untereinander
vernetzt sind, um Individualisten, Freidenker, Separatisten und andere
Häretiker frühzeitig zu erkennen und anschließend verstärkt zu umwerben.
Bleiben diese Balzversuche fruchtlos, so gilt der Abweichler als
Gesellschaftlich geächtet.
5.Das Alter
Der voll ausgewachsene und erfahrene Hunsrücker wäre auch in Zeiten der
Frühsteinzeit voll überlebensfähig, er kann aus fast allem ein Feuer
anzünden und auch unter widrigsten Umständen eine Flasche Bier öffnen. Er
schleppt mitunter kiloweise Fleisch nach Hause, um seine Lieben zu ernähren.
Auch spielt die Geselligkeit eine große Rolle, daher wird gerne
gemeinschaftlich gegrillt und reichlich gegessen und getrunken. Um dies
stilgerecht zu zelebrieren, ist es laut einem Gemeindebeschluss von anno
1248 Pflicht eines jeden Hunsrückers einen riesigen Garten zu besitzen und
zu bewirtschaften, sowie eine gewaltige,
kraterartige Feuerstelle vorzuhalten. Gegrillt wird auf einem Tripod
artigen
Dreibeingrill aus massivstem Stahl und selbstredend dürfen nur die
edelsten Hölzer wie Eiche, Buche, Mahagoni oder Eberesche als Grundlage für ein Grillfeuer
dienen. Leute, die mit Holzkohle und Putenwürstchen auf Grillfeiern
erscheinen werden mit Grillgut beworfen und mancherorts nach traditionellem
Ritus auf offenem Feuer bestattet. Gesellschaftlich verpönt sind weiterhin:
- Weight Watchers Produkte Anpreiser!
- fettarme Putenbrustgriller!
- vitaminreiche Salatemitbringer!
- Obstdabeihaber!
- Gemüsegriller!
6. Das Sterben
Die Senioren aus dem Hunsrückland sind meist griesgrämig anmutende, wortkarge
Gesellen, die trotz ihres Alters über erstaunliche körperliche und geistige
Ressourcen verfügen und bekannt sind für ihre Sturheit. Denn auch wenn der
Spießbraten nur noch püriert genossen werden kann und das Stubbi per
Infusion verabreicht werden muss, wenn statt Ü-30 Partys nur noch Ü-70
Dame-, Rommee- und Bingorunden besucht werden können, bleibt der Hunsrücker
charakterlich seiner Natur verwurzelt und standhaft wie der inzwischen knorzige Apfelbaum, den er einst in seiner Jugendzeit in den Garten seines
Vaters pflanzen durfte.
Seine Züge sind nun hart und kantig wie der Fels in den die berüchtigte
Kirche gebaut wurde, seine Augäpfel gleichen verschrumpelten Weintrauben,
seine rote Nase hat den Glanz all der schönen Kerwe und Weinfeste auf ewig
eingefangen. Der behaarte Rücken mit seinem ausgeprägten Buckel vom harten
Schuften gleicht einem bepflanzten Weinberg. Sein schütteres, weißes Haar
steht widerspenstig vom Haupte ab, so wie die schneebedeckten Wipfel der
mächtigen Tannen des Hunsrück und die sich kräuselnden Venen, die wie Taue
aus den Unterarmen hervor sprießen erinnern uns an die sich windenden Läufe
des Rhein, der Nahe, der Saar, der Ruwer und der Mosel.
So finden
Mensch und Natur am
Ende wieder zusammen !
Bananajoe81, MITTELREIDENBACH
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