Es freud mich daß du uns zu
wissen thatst von deines Vaters Ableben, anderseits thuts mir
Herzlich leid, daß er so lang und so schwer leiden mußt. Ich habe
ihn schon vor drei Jahren betrauert. Seid dem letzten Brief von 1894
von deinem Vater habe ich noch zweimal geschrieben und in der
Revulutzionszeit von einem halben Jahr die Zeitung geschickt, und
habe noch keine Antwort erhalten Deswegen glaubte ich, er wäre Tot,
Nun möchte gerne wissen, ob dies alles angekommen ist. Unsere
Vamielienverhältnissen will ich Dir jetzt schreiben, ich habe 5
Kinder, 3 Söhne und 2 Töchter davon sind drei verheirat, die älteste
Tochter ist verheirat mit Bernhard Lusche und haben drei Kinder 2
Söhne und 1 Tochter. Die zweite Tochter ist verheirat mit August
Jakkisch ihre Ehe ist bis jetzt noch kinderlos, ein Sohn hat ihn der
liebe Gott gegeben, aber er kam Tot zur Welt. Der älteste Sohn
August hat sich im August voriges Jahr mit Elise Nichterwitz
verheirat. Herman und Theodor sind noch bei uns, es geht allen gut.
Mein ältester Bruder Peter Claas hat drei Söhne und eine Tochter,
sie sind alle verheiratet.
[2]
Dessen ältester Sohn Peter hat drei Söhne und eine Tochter, Er ist
Musikant und Phodografist und wohnt in Santa Cruz. Der zweite Sohn
Jakob hat zwei Söhne und zwei Töchter. Der dritte Sohn Adam hat
einen Sohn und eine Tochter, und wohnen auf ihres Vaters Kolonie.
Die Tochter ist verheirat mit Heinrich Wegener er ist Kaufmann und
hat einen großen Kramladen er handelt auch mit Taback und schickt
ihn nach Deutschland, sein Bruder Franz Wegener ist diesen Monat auf
Besuch nach Deutschland gereisst, wenn du ihn besuchen willst so
mußt Du reissen nach Cranz an der Elbe bei Hamburg. Mein zweiter
Bruder Fritz Claas hat eine Tochter sie ist verheirat mit Ernst
Lusche und hat drei Töchter. Mein jüngster Bruder Philipp Claas hat
fünf Söhne und zwei Töchter wovon die älteste am sechsten Mai dieses
Jahres verheirat mit Karl Hirsch. Meine beiden Brüder Fritz und
Philipp wohnen auf unser Vaters Kolonie. Neuigkeiten weiß ich nicht
viel zu schreiben, das vorige Jahr hatten wir große Überschwem= mung
im Juni, der Schaden war damals nicht nicht so groß, denn alles war
geernet aber dieses Jahr kam die Überschwemmung den 3ten Mai, die
Ernte stand überall noch auf dem Felde, das Wasser hat großen
Schaden angerichtet, ganze Felder Mais und Kartoffel sind der Flut
ein Opfer
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geworden, sogar ein Menschenleben ist zu beklagen, der Fluß war so
groß, daß mit einem Kanoa nicht durch zu fahren war.
Zu jetziger Zeit durchstreift ein gräßlicher Tiger die Wälder und
fordert manch Opfer von den Hunden, Es warer mehrere Jäger auf die
Suche um ihn zu erlegen aber es ist ihn noch nicht glungen.
Vor der Revulutzionszeit hat mein Schwigersohn Bernhart Lusche zwei
Kolonien gekauft im Werte von 4300 Milreis bei jetziger Regierung
stellt es sich heraus daß es betrug ist, drum muß er sein Land bei
wieder be=
zahlen zwar er nicht allein alle Bewohne[r] von verschiedene
Länderrein müssen auch be=
zahlen, der Preis wird jetzt nicht ein sehr hoher sein, für eine
Kolonie müßen sie 500 Mireis nochmal bezahlen.
Wie du weißt ist unsere Revolution schon längst zu Ende, aber wir
fühlen sie noch, die größten Wunden sind noch nicht geheilt, man
darf keine Flasche Bier trinken, sie muß mit einem Steuermarkt
versehen sein, so ist es mit allem Getränk, alle Flüssig=
keiten welche zum Verkauf ausgeboten werden sind mit Steuermarkt
versehen. Jede einzelne Schachtel Streichhölzchen und Scharute sind
mit Steuermar[kt] belastet. Fußwaren sind gemarkt. Jeder Handwer=
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werker welcher früher 6 Mil bezahlt hat, muß jetzt 60 Milreis
bezahlen, die Kolonieprodukten sind billig, die Meterwaren, und was
sonst der Kaufmann zu verkaufen hat sind mit Steuer belastet, es ist
bald nicht mehr zum auskommen.
Durch den Photografist Peter Claas seinen Reisen erfuhren wir
nochmal von einem Freund, dessen Name auch Peter Claas ist, welcher
von Nordamerika kam, dessen Aus=
sagen waren daß keine Eltern aus Deutschland vom Hundsrück stamten
nähere Auskunft konnten sin sich nicht erteilen. Ich weiß noch von
meiner Kindheit daß ein Bruder meines Vater aus Graßtel nach
Nordamerika zogen, nun kann es leicht möglich sein daß wir noch nahe
Verwanden mit ihm sind, ich will mich besser erkundigen um dir
später nähere Auskunft darüber zu erteilen.
Wenn Du nochmal schreibst so schreibe uns deines Schwagersvamilienem
Namen aus Hundheim und deines Vaters beiden Schwestern Vamilien
Namen.
Wie Du siehst geht mein Bogen zu Ende. S
Nun will ich mein Schreiben schlißen und thue Euch herzlich Grüßen.
Grüße mir alle Freunden in Hundheim, in der Hoffnung daß Euch mein
Schreiben noch bei guter Gesundheit antreffen wird.
Dein Freund
Adam Claas.
Die Studierenden
der Europa-Universität Flensburg (Sieke Dietrich, Ilka Thomsen, Sam
Litty, Nils Langer, Lynn da San Jose, Jana Rosebrock) haben den
Brasilienbrief Mai 1899 jetzt durchtranskribiert, in „diplomatischer
Transkription“, also ohne irgendwelche Änderungen. Es sind ein paar
schöne Auffälligkeiten dabei, die – unüberraschenderweise – belegen,
dass Dialekt die Alltagssprache und Hochdeutsch die Schriftsprache
war.
Ich lege die Transkription bei, die Du gerne hochladen kannst.
Nils Langer
Professor für Nordfriesisch, Minderheitenforschung und
Minderheitenpädagogik
Direktor von kurs (kleine und regionale Sprachen)
Friesisches Seminar OSL343
Europa-Universität Flensburg
Auf dem Campus 1
D-24943 Flensburg