Hunsrücker Platt

Auswanderung nach Brasilien


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(Die Säit in Hunsricker Platt) 

Brasilienbrief Mai 1899


Rio Pardinho den 22ten Mai 1899

Es freud mich daß du uns zu wissen thatst von deines Vaters Ableben, anderseits thuts mir Herzlich leid, daß er so lang und so schwer leiden mußt. Ich habe ihn schon vor drei Jahren betrauert. Seid dem letzten Brief von 1894 von deinem Vater habe ich noch zweimal geschrieben und in der Revulutzionszeit von einem halben Jahr die Zeitung geschickt, und habe noch keine Antwort erhalten Deswegen glaubte ich, er wäre Tot, Nun möchte gerne wissen, ob dies alles angekommen ist. Unsere Vamielienverhältnissen will ich Dir jetzt schreiben, ich habe 5 Kinder, 3 Söhne und 2 Töchter davon sind drei verheirat, die älteste Tochter ist verheirat mit Bernhard Lusche und haben drei Kinder 2 Söhne und 1 Tochter. Die zweite Tochter ist verheirat mit August Jakkisch ihre Ehe ist bis jetzt noch kinderlos, ein Sohn hat ihn der liebe Gott gegeben, aber er kam Tot zur Welt. Der älteste Sohn August hat sich im August voriges Jahr mit Elise Nichterwitz verheirat. Herman und Theodor sind noch bei uns, es geht allen gut. Mein ältester Bruder Peter Claas hat drei Söhne und eine Tochter, sie sind alle verheiratet.

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Dessen ältester Sohn Peter hat drei Söhne und eine Tochter, Er ist Musikant und Phodografist und wohnt in Santa Cruz. Der zweite Sohn Jakob hat zwei Söhne und zwei Töchter. Der dritte Sohn Adam hat einen Sohn und eine Tochter, und wohnen auf ihres Vaters Kolonie. Die Tochter ist verheirat mit Heinrich Wegener er ist Kaufmann und hat einen großen Kramladen er handelt auch mit Taback und schickt ihn nach Deutschland, sein Bruder Franz Wegener ist diesen Monat auf Besuch nach Deutschland gereisst, wenn du ihn besuchen willst so mußt Du reissen nach Cranz an der Elbe bei Hamburg. Mein zweiter Bruder Fritz Claas hat eine Tochter sie ist verheirat mit Ernst Lusche und hat drei Töchter. Mein jüngster Bruder Philipp Claas hat fünf Söhne und zwei Töchter wovon die älteste am sechsten Mai dieses Jahres verheirat mit Karl Hirsch. Meine beiden Brüder Fritz und Philipp wohnen auf unser Vaters Kolonie. Neuigkeiten weiß ich nicht viel zu schreiben, das vorige Jahr hatten wir große Überschwem= mung im Juni, der Schaden war damals nicht nicht so groß, denn alles war geernet aber dieses Jahr kam die Überschwemmung den 3ten Mai, die Ernte stand überall noch auf dem Felde, das Wasser hat großen Schaden angerichtet, ganze Felder Mais und Kartoffel sind der Flut ein Opfer

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geworden, sogar ein Menschenleben ist zu beklagen, der Fluß war so groß, daß mit einem Kanoa nicht durch zu fahren war.
Zu jetziger Zeit durchstreift ein gräßlicher Tiger die Wälder und fordert manch Opfer von den Hunden, Es warer mehrere Jäger auf die Suche um ihn zu erlegen aber es ist ihn noch nicht glungen.
Vor der Revulutzionszeit hat mein Schwigersohn Bernhart Lusche zwei Kolonien gekauft im Werte von 4300 Milreis bei jetziger Regierung stellt es sich heraus daß es betrug ist, drum muß er sein Land bei wieder be=
zahlen zwar er nicht allein alle Bewohne[r] von verschiedene Länderrein müssen auch be=
zahlen, der Preis wird jetzt nicht ein sehr hoher sein, für eine Kolonie müßen sie 500 Mireis nochmal bezahlen.
Wie du weißt ist unsere Revolution schon längst zu Ende, aber wir fühlen sie noch, die größten Wunden sind noch nicht geheilt, man darf keine Flasche Bier trinken, sie muß mit einem Steuermarkt versehen sein, so ist es mit allem Getränk, alle Flüssig=
keiten welche zum Verkauf ausgeboten werden sind mit Steuermarkt versehen. Jede einzelne Schachtel Streichhölzchen und Scharute sind mit Steuermar[kt] belastet. Fußwaren sind gemarkt. Jeder Handwer=

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werker welcher früher 6 Mil bezahlt hat, muß jetzt 60 Milreis bezahlen, die Kolonieprodukten sind billig, die Meterwaren, und was sonst der Kaufmann zu verkaufen hat sind mit Steuer belastet, es ist bald nicht mehr zum auskommen.
Durch den Photografist Peter Claas seinen Reisen erfuhren wir nochmal von einem Freund, dessen Name auch Peter Claas ist, welcher von Nordamerika kam, dessen Aus=
sagen waren daß keine Eltern aus Deutschland vom Hundsrück stamten nähere Auskunft konnten sin sich nicht erteilen. Ich weiß noch von meiner Kindheit daß ein Bruder meines Vater aus Graßtel nach Nordamerika zogen, nun kann es leicht möglich sein daß wir noch nahe Verwanden mit ihm sind, ich will mich besser erkundigen um dir später nähere Auskunft darüber zu erteilen.
Wenn Du nochmal schreibst so schreibe uns deines Schwagersvamilienem Namen aus Hundheim und deines Vaters beiden Schwestern Vamilien Namen.
Wie Du siehst geht mein Bogen zu Ende. S
Nun will ich mein Schreiben schlißen und thue Euch herzlich Grüßen. Grüße mir alle Freunden in Hundheim, in der Hoffnung daß Euch mein Schreiben noch bei guter Gesundheit antreffen wird.

Dein Freund
Adam Claas.


Die Studierenden der Europa-Universität Flensburg (Sieke Dietrich, Ilka Thomsen, Sam Litty, Nils Langer, Lynn da San Jose, Jana Rosebrock) haben den Brasilienbrief Mai 1899 jetzt durchtranskribiert, in „diplomatischer Transkription“, also ohne irgendwelche Änderungen. Es sind ein paar schöne Auffälligkeiten dabei, die – unüberraschenderweise – belegen, dass Dialekt die Alltagssprache und Hochdeutsch die Schriftsprache war.
Ich lege die Transkription bei, die Du gerne hochladen kannst.

Nils Langer
Professor für Nordfriesisch, Minderheitenforschung und Minderheitenpädagogik
Direktor von kurs (kleine und regionale Sprachen)
Friesisches Seminar OSL343
Europa-Universität Flensburg
Auf dem Campus 1
D-24943 Flensburg


Der Originalbrief als PDF: Brasilienbrief 1899

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